Glossar und Erläuterungen


Achtung: Alle Angaben zu den Teilen der Lippe (Epichil, Hypochil, Kallus) beziehen sich auf die Sektion Epipactis, gelten also nicht für Ep. palustris und Ep. veratrifolia.

Anthere (Staubbeutel)

Die einzige Anthere umschließt die (bei Epipactis 2) Pollinien. Sie ist eiförmig, meist gelb und liegt über einer flachen Aushöhlung (dem Klinandrium) auf der Rückseite der Säule. Bei der Reife öffnet sich die Anthere nach unten und legt die Pollinien in das Klinandrium ab. Bei einigen Arten ist die Anthere kurz gestielt.
Allogamie

Frembestäubung. Bei Epipactis meist durch Wespen, bei einigen Arten auch durch Bienen und Schwebfliegen, gelegentlich auch Käfer, die ein oder beide Pollinien auf die Narbe einer anderen Blüte übertragen. Ein Hinweis auf Allogamie ist ein funktionsfähiges Viscidium (prüfen!), kompakte, nicht zerfallende Pollinien und ein breit ausladender oberer Narbenrand, der einen Kontakt der Pollinien mit der Narbenfläche verhindert. Bei einigen allogamen Arten kann bei ausbleibender Fremdbestäubung und ungünstigen Witterungsbedingungen gegen Ende der Blütezeit Selbstbestäubung eintreten (fakultative Autogamie).
Autogamie

Selbstbestäubung, auf die eine oder andere Weise kommt der Pollen in Kontakt mit der eigenen Narbe, je nach Art bereits in der Knospe oder im Verlauf der Blütezeit. Hinweise auf Autogamie sind ein fehlendes oder funktionsunfähiges Viscidium (prüfen!), seitlich abfallende Narbenränder („Hängeschultern“) und zerfallende Pollinien. Gefördert wird die Autogamie durch ein Vorschieben der Pollinien über den Oberrand der Narbe hinaus, entweder durch einen Stiel der Anthere (z.B. bei Ep. leptochila) oder durch Verkürzung des Klinandriums, ggf. bis zum völligen Verschwinden (z.B. bei Ep. muelleri). Ein vollständiger Fruchtansatz ist kein sicheres Zeichen für Autogamie; einerseits können an günstigen Wuchsorten auch allogame Pflanzen fast vollständigen Fruchtansatz haben, andererseits können autogame Pflanzen bei ungünstigen Witterungsbedingungen oder wenn sie zu schwach sind die Knospen oder Blüten vor der Fruchtbildung abwerfen.

Blattscheide

Der röhrenförmig den Stängel umschließende Teil des Blattes.
Blattspreite

Der flächig ausgebreitete Teil des Blattes, das eigentliche Blatt.
Blütenstiel

Der in der Längsrichtung verdrillte Blütenstiel ist je nach Art kürzer oder länger, blass gelblichgrün, grün, olivfarben („bronzefarben“) oder ± stark violett überlaufen.

Braktee         --> Tragblatt

Columna       --> Säule
Durchgang siehe auch hier

Umgangssprachlich für die Einschnürung der Lippe zwischen Hypo- und Epichil. Der Durchgang kann enger oder breiter sein, rechteckig, V-förmig oder mit sich berührenden Oberrändern („Schlüsselloch“).
Epichil

Der dreieckig-herzförmige Vorderteil der Lippe, meist auffallend gefärbt. Das Epichil kann kürzer, etwa so lang oder deutlich länger als breit sein, die Spitze ist stumpf, spitz oder lang zugespitzt und bei den meisten Arten nach unten gebogen, der Rand des Epichils kann gezähnt sein. Der basale Teil des Epichils trägt den Kallus.
Fakultative Autogamie

Bei einigen an sich allogamen Arten kann bei ausbleibender Fremdbestäubung und ungünstigen Witterungsbedingungen gegen Ende der Blütezeit Selbstbestäubung eintreten.
Fruchtknoten (Ovar)

Der Fruchtknoten enthält die Samenanlagen und entwickelt sich nach der Bestäubung zur Fruchtkapsel, zur Blütezeit ist er nur unscharf vom Blütenstiel abgesetzt. Je nach Art schlank oder dicker, kürzer oder länger. Außenseite meist kahl oder schwach behaart, bei einigen Arten (z.B. Ep. atrorubens) stark behaart – ein Merkmal, das sich auch auf Hybriden vererbt.

Gynostemium -->Säule

Hamulus

Der Hamulus ist eine zu den Pollinien gerichtete zapfenförmige Verlängerung des Viscidiums und verbindet die Pollinien mit dem Viscidium und damit mit dem bestäubenden Insekt.

Hochblätter

Scheidenlose Blätter am oberen Teil des Stängels, oberhalb der (größeren) Laubblätter und unterhalb der (kleineren) Tragblätter. Sie sitzen dem Stängel an und umgreifen ihn nicht.
Hypochil

Der kesselförmige hintere Teil der Lippe, von der Seite gesehen meist halbkugelig, bei einigen Arten flacher („pfannenförmig“), unsymmetrisch (wie eine halbierte Birne) oder mit auswärts gebogenem Rand. Im Inneren wird (auch bei den meisten autogamen Arten!) Nektar abgeschieden, der die Innenfläche glänzen lässt. Bei allogamen Arten ist die Innenseite dunkel kastanienbraun bis hellbraun, bei den meisten autogamen Arten hellt sich die Innenseite auf zu Hellbraun, Rot, Gelb- bis Olivbraun oder reinem Grün.
Internod(ium)

Der St ängelabschnitt zwischen 2 Blättern. Ein wichtiges Merkmal ist die Länge eines Laubblattes im Verhältnis zur Länge des folgenden Internods: ebenso lang, etwas länger (1 ½ mal so lang) oder wesentlich länger (³ 2 mal so lang).

Kallus (Plural Kalli)

Oft farblich abgesetzte Aufwölbungen unterschiedlicher Größe und Form am Grund des Epichils. Die beiden Seitenkalli sind meist halbkugelig bis pyramidenförmig mit glatter oder runzlig gefurchter Oberfläche, dazwischen liegt der (manchmal kaum sichtbare) Mittelkiel als flache Leiste, die weiter in Richtung Epichilspitze reicht. Seitenkallus und Mittelkiel können auch zu einem kompakten Kallus verschmelzen.

Klebdrüse      --> Viscidium

Klinandrium (Pollenschüssel)

Annähernd rechteckige, seitlich von den Staminodien begrenzte Vertiefung auf der Rückseite der Säule unterhalb der Anthere, die nach der Reife und Öffnung der Anthere die Pollinien aufnimmt.

Labellum   --> Lippe
Laubblätter

Die großen Blätter im unteren Teil des Stängels, bestehend aus einer kürzeren oder längeren, den Stängel umschließenden Blattscheide und der ausgebreiteten Blattspreite, deren Basis – im Unterschied zu Hochblättern - den Stängel umgreift. Bei einigen Arten ist die Größe und Form der aufeinanderfolgenden Laubblätter annähernd konstant und ändert sich abrupt zu den Hochblättern; bei anderen Arten nimmt die Größe von unten nach oben stetig ab, wobei die Breite schneller abnimmt als die Länge, so dass die Blätter von unten nach oben immer schmäler werden und kontinuierlich in die Hochblätter übergehen. Laubblätter können im Querprofil flach oder U-förmig eingerollt sein, sie können waagrecht seitwärts abstehen oder sogar schlaff überhängen, sie können aber auch steif schräg aufwärts gerichtet sein, ihr Rand kann glatt oder gewellt sein. Diese unterschiedlichen Möglichkeiten der Haltung der Laubblätter hängen nicht nur von der betreffenden Art ab, sondern auch vom Wuchsort der Einzelpflanze: an schattigen und luftfeuchten Orten mehr ausgebreitet, flacher und dunkler grün mit längeren Internodien, an helleren und lufttrockeneren Orten stärker eingerollt, aufrechter, welliger und heller gelblichgrün mit kürzeren Internodien.

Lippe (Labellum)

Das in Form und Farbe stark abweichende mittlere, nach unten stehende Petal. Bei Epipactis durch eine Einschnürung (Durchgang) in halbkugeliges Hypochil und flaches, dreieckiges Epichil getrennt.

Narbe (Stigma)

Bei Epipactis eine annähernd rechteckige, feucht-glänzende Platte an der Vorderseite der Säule, bestehend aus einem Mittellappen (die oberen 2/3) und den beiden Seitenlappen. Mittel- und Seitenlappen sind meist durch eine deutliche Abwinklung der Seitenlappen nach vorn getrennt, manchmal ebenso die beiden Seitenlappen voneinander. Die Spitzen der Seitenlappen und die oberen Ecken des Mittellappens sind ± ausgeprägt in Spitzen ausgezogen, in der Mitte des Mittellappen-Oberrands sitzt das Rostellum mit dem Viscidium. Bei allogamen Arten verläuft der Oberrand der Narbe waagrecht („breitschultrig“) und trennt zusammen mit dem Viscidium die Pollinien von der Narbenfläche; bei vielen autogamen Arten fällt der obere Narbenrand nach beiden Seiten ab („Hängeschultern“), so dass die zerfallenden Pollinien leichter in Kontakt mit der Narbenfläche kommen.

Niederblätter

Röhrenförmig den Stängel umschließende Blattscheiden am Grund des Stängels, das oberste gelegentlich mit kleiner Blattspreite (d.h. wesentlich kleiner als die des nächstfolgenden Laubblatts).
Ovar     --> Fruchtknoten
Petalen

Die beiden seitlich-inneren Blütenblätter.
Pollenschüssel    --> Klinandrium
Pollinium

Bei Orchideen ist der Blütenstaub (Pollen) zu geformten, kompakten, ± festen Paketen vereinigt. Bei Epipactis sind es 2 relativ weiche, bananenförmige Pollinien, die im Inneren der Anthere gebildet und in das Klinandrium abgelegt werden. Bei allogamen Arten werden die Pollinien während des Insektenbesuchs durch das Viscidium am Insekt befestigt und als Ganzes entfernt, bei autogamen Arten lockern sich die Pollinien auf, ggf. bis um völligen Zerfall.
R(h)achis     --> Spindel

Rhizom (Wurzelstock)

Unterirdisch kriechender Stamm, an dessen Ende jährlich der beblätterte Blütentrieb und neue Wurzeln gebildet werden. Bei einigen Arten (z.B. Ep. purpurata) neigt das Rhizom stärker zur Verzweigung, so dass ganze Gruppen von blühenden Pflanzen entstehen können.

Rostelldrüse  --> Viscidium

Rostellum

Meist unscheinbarer, zahn- oder schnabelförmiger Fortsatz in der Mitte des oberen Narbenrands, der das Viscidium trägt.

Säule (Gynostemium, Columna)

Ein alle Orchideen charakterisierendes Organ der Blüte, entstanden durch Verwachsung des einzigen Staubfadens (Filament) mit dem Griffels (Stylus). Die Säule trägt auf der Rückseite über dem Klinandrium die eiförmige Anthere mit den Pollinien, auf der Vorderseite die plattenförmige Narbe mit dem Viscidium, an den Seiten die dreieckigen Staminodien.

Sepalen

Die 3 äußeren Blütenblätter, die in der Knospe die übrigen Teile der Blüte umschließen.

Spindel (Rhachis)

Der oberste, mit Blüten besetzte Teil des Stängels. Die Art der Behaarung der Spindel (oft ungenau als „Stängel“ bezeichnet) ist ein wichtiges Merkmal, sie reicht von kaum sichtbarer, dünner und kurzer Behaarung (z.B. Ep. phyllanthes) bis zu einer dichten, kraus-wolligen Bedeckung (z.B. Ep. atrorubens).

Staminodium

Stark veränderter Rest eines nicht entwickelten Staubblatts. Bei Epipactis zwei dreieckige Platten beiderseits der Narbe an der Säule.
Stängel

Der die Blätter und Blüten tragende Stängel kann dick und steif sein, aber auch dünn und flexibel, gelegentlich durch Richtungsänderung an den Knoten auch zickzack-förmig. Angaben zur Behaarung des Stängels beziehen sich nur auf den obersten, blütentragenden Teil (die Spindel).

Staubbeutel    --> Anthere

Stigma            --> Narbe

Tragblatt (Braktee)

Jede Blüte steht in der Achsel eines ± kleinen Blattes, des Tragblattes. Wichtige Merkmale sind die Länge der unteren Tragblätter im Verhältnis zur Länge ihrer Blüte einschließlich Fruchtknoten und Stiel, möglichst an der zweituntersten Blüte bestimmt, weiterhin die Haltung: hängend, waagrecht oder aufwärts gerichtet. Bei einigen Arten sind die unteren Tragblätter nicht wie üblich lineal-lanzettlich, sondern breiter und laubblattähnlich.

Viscidium (Klebdrüse, Rostelldrüse)

Kugelförmige weiße Drüse an der Spitze des Rostellums in der Mitte des oberen Narbenrands, die bei allogamen Arten bei Berührung durch den Bestäuber die Pollinien am Kopf oder Rücken des Bestäubers befestigt; nach Entfernung der Pollinien ist das Viscidium verschwunden. Bei einem funktionsfähigen Viscidium lassen sich die Pollinien durch feste Berührung mit einem geeigneten Gegenstand (Streichholz, Grashalm, Kiefernnadel...) herausziehen. Bei autogamen Arten reicht das Aussehen des Viscidiums von normal, aber funktionsunfähig (prüfen!) über braun verfärbt und verkleinert bis zur Nichtexistenz.

Wurzelstock --> Rhizom
Wolfgang Wucherpfennig
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